Einige Tage nach der größten Razzia in der Geschichte der Bundesrepublik verdichten sich die Hinweise, daß offenbar ein großer Teil des Medien- und Politikbetriebs im Vorfeld über die Razzia gegen rund 50 Reichsbürger informiert war. Wurde hier eine im Grundsatz völlig berechtigte Razzia zu einer PR für die Bundesregierung aufgeblasen?
Fakt ist, sowohl Generalbundesanwaltschaft als auch Innenministerium bestreiten auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT, vorab Informationen an Journalisten weitergegeben zu haben. Aber: Die Bundesanwaltschaft ahnte zumindest, daß nicht wenige Medienvertreter über die Razzia-Pläne informiert waren. Der Kreis der Mitwisser war offenbar so groß, daß die oberste deutsche Ermittlungsbehörde es für nötig hielt, Journalisten zu bitten, erst nach der Razzia mit den fertig recherchierten Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen.
So schrieb der stellvertretende Chefredakteur der Zeit, Holger Stark, die Generalbundesanwaltschaft habe von sich heraus darum gebeten, „nicht vor 7.30 Uhr zu berichten, um Polizisten vor Ort nicht zu gefährden“.
Manches hatten wir durch eigene Zugänge im Vorfeld recherchiert, anderes erst Mi.morgen durch eine Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft erfahren. Mi früh hat die Bundesanwaltschaft darum gebeten, nicht vor 7:30 Uhr zu berichten, um Polizisten vor Ort nicht zu gefährden /5
— Holger Stark (@holger_stark) December 8, 2022
Verdächtiger wußte vorab von Razzia
Das ist mindestens ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher wäre es allerdings, wenn sich tatsächlich der Hinweis erhärten sollte, daß selbst Verdächtige Wind von der Sache bekommen hätten. So berichtet das ZDF, eine Nachbarin eines der mutmaßlichen Putschisten, sei von diesem schon eine Woche vor der Razzia informiert worden, daß eine Polizeiaktion bevorstehe. Wörtlich sagte sie dem Sender:
Er hat mich Mitte vergangener Woche aus Split in Kroatien angerufen. Er wollte mich vor einer Polizeidurchsuchung bei ihm warnen – vermutlich, damit ich mich nicht erschrecke, weil sie bei mir klingeln könnten.
Was für Waffen wurden gefunden?
Auch die Waffenfunde geben weiter Rätsel auf. Zwar behaupten Medien wie der Spiegel, es seien allerhand „Waffen“ gefunden worden, aber zu Details schweigt sich das Blatt aus. Den Obleuten der Bundestagsfraktionen wurde mitgeteilt, es seien mindestens zwei Langwaffen und eine Pistole gefunden worden. Das Hamburger Magazin schreibt von „Pistolen“ im Plural, schließt darin allerdings auch gefundene Dienstwaffen angeblich beteiligter Polizisten mit ein. Wie viele von den Waffen illegal waren, ist unklar. Auch in der Regierungspressekonferenz Am Montag will das Innenministerium keine Fakten nennen, da man sich zu laufenden Verfahren nicht äußere.
Die einzige Behörde, die diese wichtige Frage beantworten könnte, die Generalbundesanwaltschaft, schweigt. „Derzeit“ will man dazu nichts sagen, heißt es auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT. Vielleicht bringt eine Anhörung im Bundestag mehr Licht ins Dunkel.
Neben den Schußwaffen sollen Nachtsichtgeräte, Messer, Armbrüste, Schwerter und Helme gefunden worden sein. Bei einem Koch, der die Putschisten und deren Anhänger verpflegen sollte, wurden zudem Lebensmittel und Küchen-Utensilien entdeckt.
SPD bringt AfD-Verbot ins Spiel
Ungeachtet der offiziell bis heute dürftigen Informationslage zum angeblich unmittelbar bevorstehenden Sturm auf das Parlament diskutiert die Politik bereits fleißig über Konsequenzen. Im Visier: die AfD.
So preschte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Wochenende vor und brachte ein Verbot der AfD ins Spiel. Noch brauche es zwar kein Verbotsverfahren, „aber wir müssen hingucken, prüfen und sammeln, damit wir den Zeitpunkt nicht verpassen“, sagte er der BILD-Zeitung. Hintergrund ist die Festnahme der ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann. Die Richterin soll angeblich als Justizministerin im Putschkabinett gesetzt gewesen sein.
Die Vorsitzende der Linkspartei Janine Wissler dagegen arbeitete sich am Sonntag in der Sendung von Anne Will an den Sicherheitsbehörden ab. Ein „strukturelles Problem“ mit Rechtsextremismus will sie dort ausgemacht haben. „In Hessen hatten wir ja die Situation, daß irgendwann gegen fast 100 Polizisten und Polizistinnen ermittelt wurde wegen rechtsextremer Umtriebe verschiedenster Art.“
Faeser rudert zurück
Gegenwind gab es in der Sendung von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). „Da liegen sie nun wirklich total daneben, auch wenn Sie es zehn Mal erzählen. Das ist wirklich grober Unsinn.“ Er betonte: „Wir haben damals diese Chat-Gruppen untersucht, wir haben damals einen Spezialisten eingesetzt, mit einem Team von Leuten, die das untersucht haben. Das Ergebnis dieser Untersuchung war, es gibt kein strukturelles Problem.“
Dagegen ruderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in einem Punkt zurück. Sie hatte Ende vergangener Woche angekündigt, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, wonach Staatsdiener schneller entlassen werden können, wenn sie nicht verfassungstreu agieren. Dazu wollte sie die Beweislast umkehren. Beschuldigte Beamte hätten dann nachweisen müssen, daß an den Vorwürfen nichts dran sei.
Bei „Anne Will“ sagte sie nun dazu:
„Ich will nicht die Beweislast umkehren, das habe ich etwas umgangssprachlich vor kurzem im Fernsehen berichtet. Es geht darum, daß wir das Disziplinarrecht so neu aufstellen, daß es eben keine Verwaltungsgerichtsklage mehr bedarf, um Bedienstete aus dem öffentlichen Dienst zu bekommen, sondern, daß das mittels eines Verwaltungsaktes geschehen soll. Das geht dann schneller, das ist etwas einfacher nachzuweisen und das ist handhabbarer.“
Immerhin hier besteht nun also Klarheit.